Juli 2019

Seit mehreren Jahren arbeitet Women's Hope International mit dem Attat Hospital im Südwesten Äthiopiens zusammen. Auf dem Gelände des Spitals steht ein Geburtswartehaus, in welchem Frauen, die bei der Schwangerschaft ein besonders hohes Risiko für Komplikationen tragen, die letzten 2-3 Wochen vor der Geburt wohnen. Dieses einfache Konzept wurde vor 46 Jahren ins Leben gerufen.

In ländlichen Regionen Äthiopiens ist es für schwangere Frauen oft kaum möglich, bei Geburtskomplikationen rechtzeitig medizinische Hilfe zu erhalten. Der Weg zum nächsten Gesundheitszentrum ist lang und beschwerlich, die geeigneten Transportmittel fehlen oder sind zu teuer.

Um die Mütter- und Neugeborenensterblichkeit zu senken, nahm das Attat Hospital 1973 das erste Geburtswartehaus Äthiopiens in Betrieb - ein Konzept, welches sich bewährt hat. Heute verfügen im Land über die Hälfte aller Spitäler über Wartehäuser.

Schwangere Frauen im Geburtswartehaus Attat

Das Konzept ist einfach: Frauen, bei denen während der Schwangerschaft ein hohes Risiko für Komplikationen festgestellt wird, können die letzten Wochen vor der Geburt im Wartehaus auf dem Spitalgelände wohnen. Besonders für Frauen aus ländlichen Gebieten, ist der Aufenthalt im Wartehaus der ideale Ort, um sich auf die Geburt vorzubereiten. Zu Hause wird erwartet, dass sie, auch wenn sie schwanger sind, bei der Feldarbeit mithelfen; dazu kommt, dass Schwangeren oft mangel- und teilweise auch unterernährt sind. Die Vorbereitungszeit im Wartehaus ist eine willkommene Auszeit für diese Frauen. Sie können sich ausgewogen ernähren und von der schweren körperlichen Arbeit ausruhen.

Die Bewohnerinnen des Wartehauses organisieren sich selbst; Waschen und Kochen ist Teil ihrer Aufgabe und ihres Tagesablaufes. In der Regel treffen die Frauen zwei bis drei Wochen vor der Geburt im Wartehaus ein und verlassen es kurz nach der Geburt. Sie werden wöchentlich von einer Gynäkologin untersucht und haben jederzeit Zugang zu professioneller und bei Bedarf auch zu operativer Geburtshilfe.

Im Geburtswartehaus kochen die Schwangeren selbst

Während ihres Aufenthalts erhalten die schwangeren Frauen täglich Unterricht über verschiedene Gesundheitsthemen. Der Fokus liegt im Bereich Schwangerschaftsvorsorge. Einerseits sollen die werdenden Mütter dadurch über ihre aktuelle Situation und eventuell auch bereits für ihre nächste Geburt sensibilisiert werden; anderseits sollen sie als Gesundheits-Multiplikatorinnen angeleitet werden, damit sie nach ihrer Heimkehr ihre Familienmitglieder, Verwandten und Nachbarn über die wichtigsten Punkte zur Gewährleistung einer sicheren Geburt informieren. Auch der informelle Austausch ausserhalb des Unterrichts ist wichtig und wird gefördert. Die persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Gesundheitsunterricht motivieren die Frauen, nach der Niederkunft als Gesundheits-Multiplikatorinnen für sichere Geburten in ihre Familien und Dörfer zurückzukehren.

Täglicher Gesundheitsunterricht im Wartehaus


Das Attat-Spital feierte vor Kurzem bereits sein 50. Jubiläum. Es ist das einzige Spital in einem Einzugsgebiet mit rund einer Million Menschen. Die Einrichtung geniesst in der Region einen exzellenten Ruf und grosses Vertrauen. Im Spital werden jährlich 2‘800 Kinder geboren - Tendenz steigend. Viele dieser Geburten sind Notfälle. Diese Zahl veranschaulicht, dass im Spital eine hohe Expertise in der Geburtshilfe besteht.

Fotos: Hanspeter Bärtschi

Studie gewährt Einblick in die Wirkung des Geburtswartehauses

Im Oktober 2018 erschien im Magazin Tropical Medicine & International Health ein Fachbeitrag über das Geburtswartehaus in Attat mit dem Titel «Facilitators for maternity waiting home utilization at Attat Hospital: a mixed-methods study based on 45 years of experience».* Die in diesem Rahmen durchgeführte Studie gibt spannende Einblicke in den Betrieb von Spital und Wartehaus und zeigt eindrücklich auf, wie wichtig das Geburtswartehaus im lokalen Kontext wirklich ist. So gaben beispielsweise 59% der befragten Frauen an, dass sie im Falle von Komplikationen bei einer Geburt zuhause keine Transportmöglichkeit zum nächsten Spital hätten und den Weg zu Fuss auf sich nehmen müssten. Über 30% der Befragten konnten spontan kein einziges Anzeichen für mögliche Komplikationen nennen; 98% von ihnen waren von einer Gesundheitsinstitution ans Wartehaus überwiesen worden. Dies macht deutlich, wie sinnvoll es ist, die Zeit während des Aufenthalts im Geburtswartehaus zum Vermitteln von wichtigem Wissen bezüglich Gesundheitsthemen zu nutzen.
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*Die vollständige Studie von Vermeiden et al. kann unter www.researchgate.net heruntergeladen oder direkt bei uns in der Geschäftsstelle (info@womenshope.ch) bestellt werden.

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