Bei der Geburt auf sich allein gestellt
Die Gesundheitsversorgung in Kurigram, dem ärmsten Distrikt Bangladeschs, ist beinahe inexistent. Noemi Grossen, unsere Geschäftsführerin, berichtet von für uns unvorstellbaren Zuständen – und sagt, was wir nun gemeinsam mit unserem lokalen Partner tun.
Noemi, du warst vergangenen November auf einer Dienstreise im Nordwesten Bangladeschs und hast die Menschen im von Fluten getroffenen Distrikt Kurigram besucht. Wie muss man sich das Leben dort vorstellen?
Die geografische Lage prägt das Leben der Menschen stark. Ein Teil der Bevölkerung lebt auf sogenannten Chars: Schwemmlandinseln oder Sandbänken. Die Bedingungen auf den Chars sind hart, der Boden erodiert, und es kommt häufig zu Überschwemmungen. Entsprechend schlecht sind die Voraussetzungen für die Landwirtschaft. Viele Menschen verlieren aufgrund der Überschwemmungen regelmässig ihr gesamtes Besitztum. Nach den grossen Fluten vergangenen Sommer leisteten wir Nothilfe – und erkannten, dass die Not bleibt, auch wenn das Wasser zurückgeht
Women’s Hope hat deshalb entschieden, auf der Schwemmlandinsel Jahazer Alga in den Aufbau der lokalen Gesundheitsversorgung zu investieren. Warum gerade dort?
Die Gesundheitsversorgung für die rund 15 000 Menschen in Jahazer Alga ist vollkommen unzureichend. Ein rudimentär eingerichteter Gesundheitsposten beschäftigt gerade mal zwei Mitarbeitende: einen Assistenten mit dreijähriger Ausbildung als Ernährungsberater und einen Gemeindegesundheitsmitarbeiter, der lediglich eine 21-tägige Schulung durchlaufen hat. Beide leben auf einer anderen Insel und kommen daher nicht täglich zur Arbeit.

Jung verheiratet aufgrund von Armut und Perspektivlosigkeit – und dann bei der Geburt auf sich allein gestellt. Teenagermütter auf Jahazer Alga, Bangladesch
Wie sieht die Gesundheitsversorgung für schwangere Frauen aus?
Sie sind weitestgehend auf sich allein gestellt. Etwa 70 Prozent der Frauen gebären ihr Kind zu Hause. Die hohe Anzahl von Frauen, die nach einer traumatischen Geburt mit einer Fistel zurückbleiben, ist erschreckend, wie Zahlen unserer Partnerorganisation zeigen. Rund 5 Prozent der Mütter versterben sogar! Die nächstgelegene Einrichtung, das Krankenhaus in Kurigram, ist zweieinhalb Stunden entfernt.
«Im Notfall sind nicht die Transportkosten das grösste Problem – sondern die Tatsache, dass es gar keinen Transport gibt.»
Noemi Grossen, Geschäftsleiterin bei Women's Hope
Was ist nun geplant?
Zuerst wird unser Partner vor Ort aufgrund von Feldbesuchen und Daten der Regierung die dringendsten gesundheitlichen Anliegen der Bevölkerung identifizieren. Bereits jetzt ist klar, dass wir den einzig existierenden Gesundheitsposten renovieren und besser ausstatten und zusätzlich in die Schulung von Personal, insbesondere zur Mütter-Kind-Gesundheit, investieren werden. Im zweiten Projektjahr werden wir voraussichtlich zwei Personen für die Geburtshilfe einstellen.
Wie garantiert Women’s Hope, dass die Aktivitäten nachhaltige Wirkung haben?
Das Projektteam organisiert verschiedene Treffen mit wichtigen Schlüsselpersonen, um deren Unterstützung und die Akzeptanz für das Projekt sicherzustellen. Das Ziel ist, dass Regierungsmitarbeitende die Stärkung des Gesundheitssystems mittragen, im besten Fall auch finanziell.

Noemi Grossen im Gespräch mit Menschen aus dem Nordwesten Bangladeschs.
Titelbild: Von der Aussenwelt abgeschnitten: Menschen auf den Schwemmlandinseln im Distrikt Kurigram, Bangladesch.
Wir blicken auf das Jahr 2024 zurück!
Geflüchtete Frauen in Not, politische Proteste, eingeschränkte Frauenrechte: Das Jahr 2024 war in unseren Partnerländern geprägt von Herausforderungen.
Was wir trotz dieser Umstände gemeinsam mit unseren lokalen Partner:innen bewirken konnten, liest du hier:
Unsere Projekte in Bangladesch
Mehr Informationen zu unseren Projekten findest du hier:
Partnerorganisation
Lutherian Aid to Medicine Bangladesch (LAMB) ist seit den 1970er Jahren in Bangladesch aktiv und gilt dort inzwischen als wichtiger Anbieter für Gesundheitsdienste.