Parisa H., Direktorin der afghanischen Partnerorganisation WHSA, welche das Projekt zur Beendigung von Kinderehen leitete, hat uns im Rahmen der diesjährigen Mitgliederversammlung besucht und von der aktuellen Situation in Afghanistan berichtet. Das Projekt musste im vergangenen Herbst unterbrochen werden.

Bis Herbst 2021 unterstützte Women's Hope gemeinsam mit dem lokalen Projektpartner WHSA Selbsthilfegruppen, damit Frauen sich gegenseitig ermächtigen und unterstützen können. Denn Frauen und Mädchen in Afghanistan sind besonders betroffen von den gewaltsamen Konflikten der letzten Jahrzehnte. Ihr Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und dem Arbeitsmarkt ist stark eingeschränkt.
Mit der Machtübernahme der Taliban im August vergangenen Jahres verschärfte sich die Situation und Projektmitarbeiterinnen von WHSA mussten untertauchen. Die Leiterin Parisa H. lebt inzwischen im Ausland. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Projektarbeit und der Kraft der afghanischen Frauen.

«Wir wollen die weiblichen Mitglieder der Gemeinschaften mobilisieren und ihnen dabei helfen, ihre Fähigkeiten und Rechte zu erkennen und auszubauen, damit sie an der Gesellschaft teilhaben können.» - Parisa H., Leiterin Afghanistan-Projekt

Kannst du uns mehr von dem gemeinsamen Projekt mit Women's Hope erzählen?

Wir setzen uns dafür ein, dass Frauen in Afghanistan ihr Leben selbst gestalten können und in der Lage sind, sich gegen geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung und Kinderheirat zu wehren. Innerhalb von Selbsthilfegruppen wollen wir die weiblichen Mitglieder der Gemeinschaften mobilisieren und ihnen dabei helfen, ihre Fähigkeiten und Rechte zu erkennen und auszubauen, damit sie gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können.

Bis zur Machtübernahme der Taliban trafen sich die Frauen wöchentlich. Zu Beginn war es schwierig, weil die Frauen mit dem Konzept der Selbsthilfegruppe nicht vertraut waren. Sobald sie jedoch dies verstanden hatten, engagierten sie sich und ermutigten auch andere Frauen, sich an den Gruppen zu beteiligen.

Dabei arbeiten wir auf zwei Ebenen: Auf der Ebene der Selbsthilfegruppen konzentrierten sich die Frauen auf ihre individuelle, wirtschaftliche und sozialen Entwicklung. Sie gaben sich gegenseitig Ratschläge und emotionale Unterstützung und funktionierten auch als Mikrokredit-Organisation. Auf einer zweiten Ebene trafen sich Vertreterinnen der einzelnen Gruppen einmal monatlich. Der gemeinschaftsbasierte Ansatz des Projekts dient dazu, unterschiedliche Talente und Fähigkeiten zusammenzubringen und so gemeinsam als Team zu arbeiten. Letztlich sind wir als Gruppe viel stärker als alleine.

«Die Frauen erzählen mir: Wir wollen nicht mehr zurückgehen und werden nicht wieder einschlafen, sondern wir finden unseren Weg.»

Gibt es die Gruppen noch seit der Machtübernahme der Taliban?

Einige Gruppen treffen sich nach wie vor. Die Frauen erzählen mir: Wir wollen nicht mehr zurückgehen und werden nicht wieder einschlafen, sondern wir finden unseren Weg. Die Frauen versuchen, ein Leben unter dem Taliban-Regime zu führen und ihre Aktivitäten fortzusetzen. Mit ihren Erfahrungen und Wissen gründen sie neue Selbsthilfegruppen. Das bereits ersparte Geld hilft ihnen in der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Lage.

Ein weiteres Beispiel für ihre Resilienz ist die Gründung einer inoffiziellen Lehrmöglichkeit für Mädchen. Aufgrund der Schulschliessungen für Mädchen begann eine ehemalige Lehrerin, in einer der Selbsthilfegruppen Mädchen in einer Moschee zu unterrichten.

Was wünschst du dir für die afghanischen Frauen und ihre Rechte in der Zukunft?

Ich möchte, dass alle wissen, dass die Menschen in Afghanistan immer noch in einer schlimmen Situation sind, aber sie haben noch Hoffnung und kämpfen weiter. Was sie von der Welt wirklich brauchen, ist Unterstützung und Aufmerksamkeit für ihre Situation. Alle kämpfen mit so vielen Herausforderungen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass alle Frauen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können. Und dass sie zeigen können, dass sie wirklich stark sind und tun können, was sie wollen.

Frauen bilden die Hälfte des Landes und sind die talentiertesten und fähigsten Mitglieder der Gemeinschaft in Afghanistan. Wenn alle Frauen unabhängig wären, würden sie auch unabhängige Kinder grossziehen und die Gemeinschaften wären ebenfalls unabhängiger. Wenn sie ihr Potenzial erkennen und daran arbeiten, werden sie zu Vorbildern für andere. Ich träume davon, dass unsere Präsidentin eines Tages eine Frau sein wird, die der Welt zeigen kann, dass wir vorwärts und nicht rückwärts denken.

Projektarbeit Afghanistan

Innerhalb der Selbsthilfegruppen können sich Frauen untereinander austauschen.

Interview Projektleiterin Afghanistan

Paris H. lebt inzwischen im Ausland. Auch aus der Ferne unterstützt sie die Frauen in Afghanistan und bleibt mit ihnen im Kontakt.

Rückblick Programmarbeit in Afghanistan 2021

Rückblick Programmarbeit 2021

Auch Monate nach der Machtergreifung durch die Taliban bleibt die Lage äussert volatil. Erfahren Sie, wie sich die politischen Turbulenzen auf die Programmarbeit von Women's Hope ausgewirkt haben.

WHI News April 2022

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