Mädchen stehen um eine Wasserstelle im Tschad
Kinder bei Wasserstelle, Tschad.
© Salomon Djekorgee Dainyoo/WHI/Fairpicture

Der Klimawandel ist nicht geschlechtsneutral. Er betrifft Mädchen und Frauen besonders. Mehr noch: Die Umweltkrise verschärft bereits bestehende Muster der Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Deshalb müssen Geschlechtergerechtigkeit und Klimapolitik gemeinsam angegangen werden.

Veröffentlicht am 27. September 2023

In vielen Ländern der Welt sind Frauen und Mädchen für den Lebensunterhalt der Familie verantwortlich. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in einem Grossteil der Haushalte, in denen es kein Wasser auf dem Grundstück gibt, Frauen und Mädchen für die Wasserbeschaffung zuständig. Es liegt auf der Hand, dass der Klimawandel sie besonders und ganz konkret trifft: Sie müssen immer weitere Strecken zurücklegen, um ans lebensnotwendige Wasser zu kommen. Die Wege sind oftmals beschwerlich; die Frauen und Mädchen laufen Gefahr, überfallen oder sexuell missbraucht zu werden.

Auch in der Landwirtschaft sind Frauen in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen überproportional stark vertreten. Bleibt der Regen aus, wird die Ernte magerer, weshalb die Frauen härter arbeiten müssen, um das Einkommen für ihre Familien zu sichern. Dies erhöht den Druck auf Familien, ihre Mädchen aus der Schule zu nehmen, damit diese ihren Mütter bei der Bewältigung der Mehrbelastung helfen können.

Mädchen arbeitet auf dem Feld in Äthiopien
Bei der Arbeit statt in der Schule, Äthiopien.
© Hanspeter Bärtschi/WHI

Verletzlichkeit durch Vertreibung

Je ärmer die Familien, umso weniger verfügen sie über die Ressourcen, die nötig wären, um sich an den Klimawandel anzupassen und den Schutz ihrer Lebensgrundlage und ihres Wohlergehens zu gewährleisten. Viele Familien sehen einen Ausweg darin, ihre Mädchen bereits als Kinder zu verheiraten: Verheiratete Töchter müssen nicht mehr ernährt werden.

Trotz allen Anpassungsstrategien müssen viele Menschen irgendwann ihre Heimat verlassen, um ihr Überleben zu sichern. Schätzungsweise 80 Prozent der Menschen, die durch den Klimawandel vertrieben werden, sind Frauen, so die UNO. Wenn Frauen vertrieben werden, sind sie einem grösseren Risiko von Gewalt, einschliesslich sexueller Gewalt, ausgesetzt, etwa während sie in Notunterkünften, Zelten oder Lagern schlafen, sich waschen, baden oder anziehen. Wer mit wenig oder keinen Ressourcen an einem unbekannten Ort unterwegs ist, ist rasch gezwungen, ungewollte sexuelle Beziehungen einzugehen, um beispielsweise an Geld für Transportkosten oder Essen zu gelangen. Dadurch steigt - von den psychischen Folgen ganz zu schweigen - die Gefahr von ungeplanten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten. Die vulnerable Situation der Frauen macht sie zudem anfälliger, Opfer von Menschenhandel zu werden.

Reem Alsalem, UN-Sonderberichtserstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen

«Der Klimawandel ist nicht nur eine ökologische Krise, vielmehr wirft er grundsätzliche Fragen nach Gerechtigkeit, Wohlstand und Gleichstellung der Geschlechter auf. Neue Erkenntnisse zeigen, dass die negativen Auswirkungen des Klimawandels weltweit alle Arten von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen verschlimmern.»

Reem Alsalem, UN-Sonderberichtserstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen

«Die Trinkwasserknappheit zwingt Frauen und Mädchen dazu, in den Flüssen oder tief im Dschungel nach Wasser zu suchen, was das Risiko sexueller Gewalt erhöht. In den illegalen Abholzungsgebieten sind Frauen und Mädchen das Hauptziel krimineller Gruppen; viele Frauen und Mädchen verschwinden.»
Mädchen, 15, Peru

«Bei Katastrophen ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen überleben, geringer und die Wahrscheinlichkeit, dass sie verletzt werden, grösser. Dies ist auf die seit langem bestehenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten zurückzuführen, die zu Ungleichheiten in Bezug auf Informationen, Mobilität, Entscheidungsfindung und Zugang zu Ressourcen und Ausbildung geführt haben.»
UN Women

«Frauen muss eine umfassende und gleichberechtigte Beteiligung und Führungsrolle in Klimafragen eingeräumt werden. Wir brauchen ihre Stimme - und ihre Führung -, um uns auf den richtigen Weg zu bringen.»
Michelle Bachelet, UN-Hochkomissarin für Menschenrechte

«Wenn sich Frauen gegen Umweltzerstörung, Umweltverschmutzung und Enteignung wehren, treten sie aus ihrer traditionellen Rolle heraus, um die ungerecht verteilte Macht in den Händen der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Institutionen herauszufordern, und die Gesellschaft vergilt dies mit Gewalt gegen die Frauen.»
Melanie Chiponda, Beraterin für Klimagerechtigkeit und Gender beim African Women's Development and Communication Network

Geschlechtergleichstellung als Voraussetzung

Die Beispiele oben zeigen: Dass Frauen überproportional stark vom Klimawandel betroffen sind, ist kein Zufall. Es ist das Resultat von geschlechterspezifischen Rollen und Stereotypen, welche historisch und geografisch geprägt sind. Die UNO-Organisation zur weltweiten Stärkung der Frauen, UN Women, schreibt dazu, immer mehr Daten und Forschungsergebnisse würden den eindeutigen Zusammenhang zwischen Geschlecht, sozialer Gerechtigkeit und Klimawandel aufzeigen.

Bei der Bekämpfung des Klimawandels ist es deshalb wichtig, die Massnahmen geschlechtssensibel zu gestalten und parallel dazu die Geschlechtergerechtigkeit anzugehen. Frauen müssen in ihrere gesellschaftlichen Position gestärkt, Vorurteile müssen aufgebrochen und der Zugang zu lebensnotwenidgen Ressourcen für Mädchen und Frauen muss verbessert werden. Die Gemeinschaften brauchen zudem lokal verfügbare Lösungen, um ihre Anpassungsfähigkeit an klimatische Extremereignisse zu stärken. Die Frauen könnten viel zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Lösungsfindung beitragen, gerade weil sie stark betroffen sind. Es ist daher unabdingar, dass sie auch als Wissensträgerinnen wahrgenommen und - beispielsweise durch Bildung und gezielte Förderung - als Entscheidungsträgerinnen gestärkt werden.

Notsituation im Bangladesch
Prekäre Lage in fdsfs für Frauen und Kinder