Die Weltgemeinschaft stellt derzeit elementare Menschenrechte infrage – darunter auch das Recht auf Gesundheit. Hart erkämpfte Fortschritte drohen dadurch zunichtegemacht zu werden.

Menschenrechte sind keine abstrakten Paragrafen, sondern die Antwort auf unermessliches Leid. Sie entstanden nach den Weltkriegen, um die Würde jedes Einzelnen vor staatlicher Willkür zu schützen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 ist ein weltweites Bekenntnis: Jedes Leben zählt, Freiheit, Sicherheit und Schutz stehen allen zu.

In diesem Bekenntnis haben die Staaten auch das Recht auf Gesundheit festgeschrieben, welches unter anderem 1966 im UN-Sozialpakt bekräftigt wurde. Das Recht auf Gesundheit bedeutet: Jede Person hat Anspruch auf das bestmögliche Mass an körperlicher und seelischer Gesundheit, das für sie erreichbar ist. Es soll den diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung und die Möglichkeit eines gesunden Lebensumfelds sicherstellen.

Konkrete Fortschritte

Auch wenn das Recht auf Gesundheit längst nicht für alle Menschen Realität ist, hat es in den vergangenen Jahrzehnten viele Fortschritte ermöglicht. Impfprogramme wurden ausgeweitet, Krankheiten wie HIV eingedämmt, die Überlebenschancen von Müttern und Kindern deutlich verbessert und sexuelle sowie reproduktive Rechte gestärkt. Viele dieser Erfolge wären ohne den menschenrechtlichen Rahmen nicht in diesem Umfang finanziert und umgesetzt worden.

Wir beobachten mit Sorge, wie diese Errungenschaften zunehmend bedroht sind: Die aktuelle politische Weltlage ist von Krieg und Krisen geprägt. Führende Politiker und Politikerinnen stellen elementare Menschenrechte infrage. Kürzungen in der internationalen Zusammenarbeit, diskriminierende Gesetzgebungen und Angriffe auf – völkerrechtlich geschütztes – medizinisches Personal zeigen, wie fragil das Recht auf Gesundheit ist.

Frage des politischen Willens

Die Geschichte hat uns gelehrt: Wenn Rechte ins Wanken geraten, trifft es zuerst Frauen, Kinder und marginalisierte Gruppen. Es braucht daher entschlossenes Handeln – durch praktische Arbeit zur Stärkung der Gesundheit und Rechte von Mädchen und Frauen, durch politisches Engagement und systemische Veränderungen. Denn viele der jetztigen Krisen sind menschengemacht. Ihre Lösung liegt in der Verantwortung und im Willen der politischen Entscheidungstragenden – und der Gesellschaft insgesamt.

Mutter und Neugeborenes im St.Luke-Spital

In guten Händen – aber wie lange noch? Eine Mutter mit Neugeborenem im St.-Luke-Spital in Äthiopien.

Die Umbrüche in der weltweiten Gesundheitspolitik haben Einfluss auf unsere Arbeit. Muriel Weyermann, unsere Leiterin Internationale Zusammenarbeit, gibt Einblick.

Muriel, du arbeitest seit über 15 Jahren in der internationalen Zusammenarbeit. Wie beurteilst du die aktuellen Entwicklungen?

Die Entwicklungen sind beispiellos. Während die 1990er und 2000er stark von Friedensbemühungen geprägt waren, erleben wir seit Mitte der 2010er – und beschleunigt seit 2022 – eine klare Rückkehr zu klassischen Militärlogiken mit massiven Aufstockungen der Verteidigungshaushalte auf Kosten von Friedensmissionen, Demokratisierungsförderung und Entwicklungszusammenarbeit. Dies hat einen grundlegenden Wandel im Sektor zur Folge.

«Wir erleben eine klare Rückkehr zu klassischen Militärlogiken mit massiven Aufstockungen der Verteidigungshaushalte auf Kosten von Friedensmissionen, Demokratisierungsförderung und Entwicklungszusammenarbeit.»
Muriel Weyermann, Leiterin Internationale Zusammenarbeit

Wie beeinflussen die derzeitigen Kürzungen die Arbeit von Women's Hope?

Die Verunsicherung ist gross, bei allen Organisationen in unserer Branche. Dank der breit abgestützten Finanzierung – und insbesondere auch dank der tragenden Rolle unserer treuen Spenderinnen und Spender – können wir bei Women's Hope allerdings bisher all unsere Projekte fortsetzen; doch unsere lokalen Partner sind teilweise abhängig von internationalen Geldgebenden, die ihre Budgets massiv gekürzt haben. In Äthiopien etwa musste unser Partner OWDA bereits Personal entlassen, weitere Entlassungen sind absehbar. Dadurch werden ganze Strukturen zerstört, Wissen geht verloren – und vor allem erhalten Menschen nicht mehr jene Unterstützung, die sie benötigen.

Was gibt dir Hoffnung?

Es ist im Moment nicht einfach, optimistisch zu bleiben. Doch wir müssen uns vor Augen halten: Die grössten gegenwärtigen Krisen – etwa im Sudan, in Gaza und in der Ukraine – sind von Menschen verursacht. Es handelt sich hier nicht um Naturkatastrophen, denen wir hilflos ausgesetzt sind. Menschen haben diese Katastrophen geschaffen – also können sie sie auch stoppen.



Titelbild:
Eine Frau bei der Schwangerschaftsuntersuchung im St.-Luke-Spital in Äthiopien. Foto: Hanspeter Bärtschi/WHI

Artikelbild: Hanspeter Bärtschi/WHI

WEITWINKEL: Aktuelle Ausgabe

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Droht eine globale Gesundheitskrise? Alarmierende Fakten im Überblick

Fachpersonen sprechen von eine drohenden globalen Gesundheitskrise. Folgende Zahlen rütteln auf.

Hebamme Saboura Khamis

Muriel Weyermann


Muriel Weyermann

Leiterin Internationale Zusammenarbeit, Women's Hope